Blattzeit ist Lockzeit

Blattzeit ist Lockzeit

Für mich war es vergangenen Samstag das erste Mal, dass ich mit meinen Jagdmentor zur Blattzeit auf einen Rehbock angesessen habe. Wir belegten zwei unterschiedliche Hochsitze, die in etwa 250 m außeinander lagen. Gegen 20:15 Uhr bestieg ich meinen Stand und brachte mich und mein Glas in Position.

Ich musste nicht lange warten, bis sich das erste Wild zeigte – ein vorwitziger Feldhase hoppelte entspannt in mein Sichtfeld. In 30 Meter Entfernung konnte ich seine Fellpflege aber auch die Futtersuche beobachten. Nach einer Weile bemerkte ich eine Bewegung im Augenwinkel und spähte angestrengt in die Richtung, in der ich die Bewegung ausgemacht hatte. Nichts zu sehen! Ich setzte mein Glas wieder ab und dann konnte ich einen dunklen Schatten vom Waldrand kommend durch das Gras ziehen sehen. Ganz langsam, fast in Zeitlupe bewegte sich dort etwas. Ich hob erneut mein Glas und versuchte zu erkennen, um was es sich handelte. Etwa 50 bis 55 Meter waren zwischen mir und dem Schatten. Dann erkannte ich es. In dem Moment, als das Tier seinen Kopf hob und einen Satz nach vorne machte, um eine Maus zu erlegen, wußte ich, es handelte sich um eine Wildkatze.

In dem Moment summte mein Smartphone. Ich nahm das Gespräch an und hauchte ein ganz leises „Ja?“ in das Mikro. Mein Mentor war dran. Ebenfalls ganz leise fragte er mich, ob ich die Katze sehen würde. Ich schaute wieder durch mein Glas. Inzwischen hatte die Wildkatze sich erhoben und stolzierte stolz mit ihrer Beute in Richtung Waldrand. Nun konnte ich auch die markante Zeichnung auf dem gedrungenen Schwanz erkennen. Das bestätigte alles. Ich sagte: „Ja, ich sehe sie!“ und er war ganz begeistert. Noch nie zuvor wurde in dem Revier eine Wildkatze gesichtet. Das fing ja schon einmal sehr gut an. Erster Ansitz und dann so eine Sichtung – besser geht es kaum!

Nachdem sich die Aufregung ein wenig gelegt hatte und das Tier zur Nahrungsaufnahme im Dickicht verschwunden war, konzentrierten wir uns wieder auf das Rehwild. Der Hase war übrigens immer noch zu sehen. Völlig entspannt ließ er mich und die Wildkatze links liegen und mümmelte vor sich hin.

Plötzlich – Rehwild auf 11:00 Uhr. Ein Kitz lief in kleinen Sprüngen über die gemähte Wiese und folgte dem Waldrand. Ich beobachtete angestrengt, ob die Ricke folgte aber das passierte nicht. Nun, das war ein gutes Zeichen, denn wenn die Ricken ihre Kitze alleine lassen, ist oftmals ein Bock nicht weit.

Dann fiel ein Schuss – jedoch nicht bei meinem Mentor sondern etwas weiter aus dem Tal. An diesem Tag ging auch der Pächter des Reviers mit auf die Jagd, nur an einer ganz anderen Stelle. Es summte wieder mein Telefon und so erfuhr ich von seinem Erfolg. „Der Bock lag im Knall“, wie es in der Jägersprache heißt. Das bedeutet, dass er den Schuss, der sein Leben beendete, wahrscheinlich noch nicht einmal gehört hat.

Wir freuten uns sehr über das Jagdglück unseres Waidkollegen und beschlossen, unseren Ansitz abzurechen und zu unserem Pächter zu fahren. Dieser wartete bereits auf uns und es freute mich sehr, dass er mit dem Aufbrechen und der Fleischbeschau solange gewartet hatte, bis wir bei ihm waren. So konnte ich bereits kurz nach Antritt meiner Ausbildung bei solch einem Ereignis dabei sein. Mein Jagdmentor holte sein Jagdhorn heraus und bließ „Reh tod“ und „Jagd vorbei“. Das war ein bewegender Moment für mich. Die Fleischbeschau ergab, dass es sich um einen ca. zweijährigen und absolut gesunden Rehbock handelte. Da ich beim Aufbrechen geholfen hatte, gestand man mir das „kleine Jägerrecht“ zu und so nahm ich die Innereien mit nach Hause, wo ich sie am nächsten Tag zu einem phantastischen Wildgericht verarbeitete.

Ich bin sicher, dass mir dieses Ereignis noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Es war zwar nicht mein eigener Bock aber ich habe mich so für den Pächter gefreut, dass es sich fast so angefühlt hat. Sehr lehrreich war das gesamte anschließende Vorgehen und ich muss gestehen, dass ich gedacht habe, es würde mich mehr mitnehmen. Zwar empfand ich Mitleid mit dem Wild und als er mit seinem letzten Bissen bei den Tönen des Jagdhorns so vor mir lag, war mein Herz schwer aber als es an die Verarbeitung ging, verschwand das Gefühl und es war, als hätte ich ein Stück Filet in meiner Küche zur Verarbeitung vor mir.

Das Erlebnis verdeutlichte mir auch noch einmal den Grund, warum ich Jäger werden möchte. Der Respekt dem Wild gegenüber, die lange Ansitzzeit und die gesamte nachfolgende Arbeit sorgen nach meiner Meinung dafür, dass man mit viel mehr Achtung an die Zubereitung geht. Alles wird verwehrtet und ernährt den Schützen oft für mehrere Wochen oder Monate. Es ist traurig und freudig zugleich. Es ist der jahrtausend alte Kreislauf des Lebens und der Natur. Ein Teil davon zu sein, ist sehr erfüllend.

(mr)

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